Bild: John Garcia
Letztes Update: Jan., 19th 2025
Der Wendigo ist ein beliebtes Monster der Moderne. Er hat seinen Auftritt in diversen Erzählungen, Büchern (Friedhof der Kuscheltiere von Stephen King), Serien (Supernatural), Filmen (Ritual, Antlers, Wendigo) und Computerspielen (Until Dawn). Und nun auch noch ich. :-)
Dabei frage ich mich, wie weit ich der Kreatur und dessen Mythos gerecht werden kann, und wie weit ich mich von diesem entfernen darf. Kein leichtes Unterfangen. Unabhängig der Quelle und Überlieferung variieren sein Name, sein Aussehen und seine Attribute. Teilweise sind die Aussagen und Beschreibung sogar widersprüchlich. Ein Buch über Drachen, Werwölfe oder Vampire zu schreiben erscheint mir dagegen einfacher. Aber nun gut.
Um dem wahren Wendigo so nah wie möglich zu kommen, habe ich Daten gewonnen und hier niedergeschrieben. Die Suche selbst endet wohl nie. Legen wir los.
Die Legende des Wendigos wird von den Ureinwohnern Nordamerikas seit Generationen hinweg erzählt (wie etwa bei den Algonkin und den Cree) und besagt, dass Menschen, die Menschenfleisch essen, sich in ein solches Monster verwandeln, dessen Hunger niemals befriedigt wird.
Menschenfleisch ist von nun an das einzige Verlangen des Wendigos, und je mehr Menschenfleisch es frisst, desto größer wird dessen Körper und umso mehr entfernt es sich von seiner menschlichen Existenz. Darüber hinaus bekommt der Wendigo übernatürliche Fähigkeiten (siehe unten).
Die Kreatur wurde bei den Ureinwohner als moralische Lehrfigur eingeführt, um die Menschen einzuschüchtern und den Kannibalismus zu unterbinden. "Fresst kein Menschenfleisch, sonst seid ihr verflucht. Selbst wenn ihr irgendwo eingeschneit seid und euch die Nahrung ausgeht, so verhungert und erfriert ihr besser, als eures Gleichen zu speisen."
Die, die sich von der Legende nicht einschüchtern ließen, nutzten das Monster gern als Ausrede. Kehrte eine Gruppe beispielsweise mit einer Person weniger zurück, weil sie diese getötet und verspeist hatten, um zu überleben, so war eben der Wendigo daran Schuld.
Je nach Region trägt der Wendigo einen anderen Namen: Windigo, Wendago, Widjigo, Wendigowak.
Das schmälert jedoch nicht dessen Legende.
Bild: Martina Fackuva
Der Wendigo hat seinen natürlichen Lebensraum dort, wo die Legende erfunden und ursprünglich erzählt wurde: in den tiefen Wäldern Kanadas und in den Nordstaaten der USA wie etwa Minnesota. Der Wendigo ist primär in kalten Regionen anzutreffen, wobei er auch schon in Nord Michigan und in den Wäldern Colorados bei Black Water Ridge gesichtet worden sein soll.
Wie bereits am Anfang erwähnt, gibt es kein einheitliches Bild des Wendigos, sondern variiert je nach Quelle. Darüber hinaus ist der Wendigo ein Gestaltenwandler, kann sich also in jedes Tieres und in jeden Menschen verwandeln. Mit dieser Tarnung ist es für ihn ein Leichtes, seine Beute in eine Falle zu locken.
Lässt man die Verwandlungsfähigkeit mal außer Acht, so lässt sich seine Erscheinung in drei Versionen eingrenzen: der Mensch, die wandelnde Leiche und das hirschartiges Wesen. Am Anfang steht stets der Mensch, bevor dieser sich in eine der beiden anderen Versionen verwandelt. Es gibt Stimmen, die meinen, dass die drei Versionen eine aufeinander aufbauende Entwicklung darstellen. Was stimmt, ist am Ende wohl eine Glaubensfrage.
Der Mensch
Ein frisch infizierter Mensch verwandelt sich äußerlich nicht gleich in einen Wendigo. Erst, wenn sein Verlangen nach Menschenfleisch stärker wird und er diesem Trieb widerstandslos nachgeht, kommt eine Verwandlung zustande. Der Mensch verliert allmählich seine Identität, vergisst seinen Namen, seine Vergangenheit.
Der Zombie/Die wandelnde Leiche
In dieser Version kommt der Wendigo einer stinkenden Leiche nah, die auf Erden wandelt. Sein Fleisch verwest am "lebendigen" Leib. Der Körper ist schlaksig, haarlos und so abgemagert, dass sich die Knochen durch die ergraute bzw. schwarzgefärbte Haut drücken und sich deutlich abzeichnen.
Die Augen liegen mal tief in den Augenhöhlen, mal stehen sie weit hervor. Mal sind sie weiß und mit milchigen Schlieren durchzogen und mal gelb und blutunterlaufen. Und manchmal werden sie mit den Augen einer Eule verglichen. In seinem lippenlosen Mund (die Lippen soll er sich weggekaut haben), befinden sich lange spitze Zähne.
Die Arme und Beine wachsen überproportional in die Länge, die Hände werden zu gewaltigen Pranken mit messerscharfen Krallen und die über einen Meter großen Füße haben spitze Fersen (in manchen Beschreibungen haben die Füße nur einen Zeh).
Er bewegt sich sowohl auf zwei Beinen als auch auf allen vieren fort.
Der zombieartige Wendigo im Computerspiel "Until Dawn (2015).
Das hirschartiges Wesen
Diese Version ist wohl die Bekannteste. Nach dieser Version besitzt der Wendigo einen humanoiden, schlaksigen Körper, mal haarlos, mal mit Tierfell bezogen. Der Kopf gleicht dem eines Hirsch- oder Elchschädels. Mit seinem gewaltigen, majestätisch verästelten Geweih spießt er problemlos Menschen auf. Seine übergroße Schnauze gleicht dem eines Wolfes, gepickt mit gewaltigen, spitzen Zähnen oder gelben Reißzähnen. Seine Augen leuchten.
Wenn der Wendigo als ein Tier beschrieben wird, das auf vier Pfoten voranschreitet, beträgt seine Schulterhöhe etwa zwei Meter. Geht er aufrecht, so soll er fünf Meter oder größer sein, sodass er problemlos über die Baumkronen hinweg sehen kann.
Der hirschartige Wendigo. Bild: Quelle unbekannt
Die folgenden Eigenschaften und Stärken lassen sich wissenschaftlich nicht belegen, aber eines ist Fakt: Der Wendigo ist ein sehr mächtiges, übernatürliches Wesen, aus dessen Fundus sich die wunderbarsten ... äh ... schaurigsten Geschichten und Erzählungen kreieren lassen.
Wachstum & Lebensdauer: Mit jeder "Mahlzeit" wird der Wendigo hungriger und größer. Manche meinen, er wachse proportional zu seiner Beute. Demnach müsste er irgendwann den Mond berühren, wobei ich persönlich glaube, dass auch ein Superwesen wie der Wendigo an seine physikalischen und biologischen Grenzen stößt.
Die Lebensdauer des Wendigos ist nahezu unbegrenzt, er ist quasi unsterblich, es sei denn, ihm gehen die Menschen als Nahrungsquelle aus oder wird gezielt getötet.
Super schnell, super stark, super Ausdauer und superscharfe Sinne: Hat der Mensch auf der Flucht vor einem Vogelstrauß schon keine Chance, und vor einem Geparden erst recht nicht, so stehen die Chancen bei einer Wendigo-Begegnung nicht besonders gut. Der Wendigo ist so schnell, dass sich dieser binnen von Sekunden von einem Ort zum anderen bewegt. Für das menschliche Auge wirkt das wie ein Sprung durch Raum und Zeit.
Der Wendigo besitzt auch eine hohe Ausdauer. Er ermüdet deutlicher langsamer als der Mensch, reißt mit einer Leichtigkeit seine Beute auseinander und kann mindestens zwei oder mehr Menschen auf einmal tragen. Und während der Mensch auf das Sonnenlicht angewiesen ist und in der Nacht ohne technische Hilfsmittel nahezu handlungsunfähig ist, kann der Wendigo sich auf seine fünf scharf ausgeprägten Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken) verlassen. Auch in der Nacht. Darüber hinaus macht das einst menschliche Gehirn den Wendigo zu einer schlauen, strategisch denkenden Bestie.
Jagdverhalten & Nahrungsaufnahme:
Da er ständig hungrig ist und pausenlos an Menschenfleisch denkt, könnte man meinen, er stürze sich wie ein Wahnsinniger umgehend auf seine Beute. Dem ist nicht so. Er stürzt sich nicht gleich auf seine Beute, sondern verfolgt sie wie ein Stalker unbemerkt im Hintergrund, und das sogar tagelang, falls erforderlich. Der Wendigo wartet, bis die Menschen verängstigt, ausgehungert und erschöpft sind. Erst dann schlägt er mit seinen langen Klauen und scharfen Krallen zu. Meist in der Nacht.
Ob das Monster die Menschen vor Ort verschlingt oder sie für einen späteren Zeitpunkt andernorts lagert (in Höhlen oder an Bäumen auf Ästen gespießt) variiert je nach Quelle. Mal wieder. Wenn ich meine beiden Kater vergleiche, so ist deren Verhalten ebenfalls unterschiedlich. Während einer sein Futter in eins hinunterschlingt, frisst der andere langsam, in kleinen Intervallen, und lässt sogar etwas für später in seinem Futterautomat zurück.
Gestaltenwandler & Handlanger
Wie oben schon erwähnt, ist der Wendigo ein Gestaltenwandler, er kann die Gestalt eines jeden Individuums annehmen, sogar dessen Stimme nachahmen, um das Vertrauen seines Opfers zu gewinnen.
Der Wendigo macht sich jedoch nicht immer selbst die Hände schmutzig, sondern lässt durchaus auch Menschen für sich "arbeiten". Durch Zauberei oder über Träume dringt er in ihre Seelen ein und steuert sie wie Marionetten. Er treibt sie in den Wahnsinn oder lässt sie die eigenen Jagdbegleiter und Familienmitglieder umbringen und sogar deren Fleisch verzehren.
Der Wendigo soll sogar jüngst Verstorbene wieder auferstehen lassen, um diese auf die Menschenjagd anzusetzen.
Betrachtet man die Stärken des Wendigos, so könnte man glauben, das Monster sei unverwundbar und somit unbesiegbar. Aber selbst der kleine David hat den großen Goliath besiegt. Alles und jeder hat eine Schwachstelle. Auch der Wendigo.
Bei einem frisch Infizierten ist die Verwundbarkeit am Größten. Da noch ein Mensch, kann man diesen auf jede bekannte Methode umbringen. Die hohe mehrheitliche Meinung empfiehlt jedoch einen Kopfschuss, um die Verwandlung in ein übernatürliches Monster zu vereiteln.
Hat der Wendigo seine übernatürlichen Fähigkeiten bereits entwickelt und eine gewisse Körpergröße bzw. ein gewisses Alter erreicht, so wird das Unterfangen schwieriger. Einige meinen, eine Enthauptung des Wendigos führe zu dessen Tod. Das mag sein, aber die hoheitliche Meinung nennt Feuer als die zuverlässigste Waffe. Ob Fackeln, Leuchtpistolen, Flammenwerfer oder ein glühender Dolch, Hauptsache das Feuer dringt zum Herzen des Wendigos vor, das aus Eis besteht. Einfache Chemie also. Kein Hokuspokus.
Wer nicht vorhat, einen Wendigo zu töten, aber dennoch unbeschadet im Wald übernachten möchte, der malt einen Schutzkreis aus Anasazi-Symbolen in den Boden, einmal um das Zeltlager herum. Der Wendigo kann diese Symbole nicht übertreten, so heißt es. Ob das stimmt, ist ungewiss. Falls es hilft, bekommt man den Wendigo nicht zu Gesicht. Helfen die Symbole nicht und vom Wendigo verspeist wird, kann man davon anderen nicht mehr berichten.